INKONTINENZ MANN > adjustierbare Schlingensysteme
ADJUSTIERBARE SYSTEME ZUR BEHANDLUNG DER MÄNNLICHEN INKONTINENZ
In der Folge wird auf Indikation, Implantationstechnik, Ergebnisse sowie Vor- und Nachteile der verschiedenen Systeme eingegangen. Den Ausführungen liegt neben der Fachliteratur die Praxis als Referenzzentrum für männliche Inkontinenz mit knapp 700 Eingriffen unterschiedlichster Art in den vergangenen 9 Jahren sowie direkte Erfahrung mit allen genannten Methoden zugrunde. Dabei hat auch der sog. artefizielle Sphinkter (AMS 800) weiterhin eine zentrale Stellung, die allerdings an anderer Stelle abgehandelt wird.
Mit der Vorstellung des ProACT-Systems 1999 wurde erstmals ein adjustierbares Verfahren zur Behandlung der männlichen Inkontinenz eingeführt. Damit bestand erstmals die Möglichkeit, postoperativ auf unterschiedliche Notwendigkeiten spezifischer Patienten einzugehen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß sich sowohl urodynamische Parameter wie auch persönliche Ansprüche eines Patienten im weiteren Verlauf seines Lebens ändern können. Patienten, die primär zufrieden sind und bei normaler körperlicher Aktivität keinen Harn mehr zu verlieren, können beispielsweise die Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten höhere Ansprüche entwickeln. Diese können durch entsprechende Adjustierung des Systems befriedigt werden. Andererseits kann die Implantation jedes statischen Systems auch zu obstrutiven Situationen führen, auch hier bietet das adjustierbare System die Möglichkeit jederzeit postoperativ zu reagieren.
Einleitung:Die chirurgische Therapie der männlichen Inkontinenz folgt grundsätzlich anderen Strategien als jene der Streßinkontinenz bei Frauen. In der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle findet sich als Ursache eine Prostataoperation, in der Hauptsache radikale Prostatektomien. Im Rahmen solcher Operationen wird in erster Linie die autonome Innervation des (funktionell) glatten Sphinkterapparates kompromittiert, der für die Ruhekontinenz verantwortlich ist. Der Beckenboden sowie der quergestreifte Sphinkterapparat, vom Nervus pudedus innerviert, bleibt in aller Regel voll funktionsfähig. Dementsprechend finden sich auch typische klinische Symptome: fast alle Männer, die mit Inkontinenz nach Prostataoperationen vorstellig werden, sind grundsätzlich imstande, ihren Harnstrahl zu unterbrechen. Des weiteren findet sich eine Verschlechterung der Symptomatik in den Nachmittags- und Abendstunden, die auf die Ermüdung des quergestreiften Sphinkterapparates zurückzuführen ist, der nach Prostataoperationen die Funktion des kompromittierten nicht ermüdbaren glatten Sphinkterapparates eben nur teilweise ersetzen kann. Im Wissen um die Tatsache, daß für die Erhaltung der Basiskontinenz nur minimale intraurethrale Drucke notwendig sind, ist es das Ziel zahlreicher Implantate zur Behandlung der männlichen Inkontinenz den urethralen Widerstand um eben diese minimale Komponente (5-15 cmH20) zu erhöhen. Die heute gängigen adjustierbaren Systeme folgen diesem Prinzip, wobei die Erhöhung des urethralen Widerstandes teilweise intraoperativ gemessen wird (Argus classic, Argus „T“), bei anderen Systemen erfolgt die Adjustierung nach klinischen Aspekten am 1.postoperativen Tag (Remeex) oder im Verlauf der ersten postoperativen Wochen und Monaten (ProACT). Allen genannten Systemen ist gemeinsam, daß durch die Möglichkeit der postoperativen Adjustierung klinisch oder funktionell relevante Obstruktionen hintangehalten bzw. jederzeit korrigiert werden können (1,2,3). Es besteht damit die Möglichkeit, bei jedem Patienten individuell das therapeutische Fenster zwischen Harnverlust und Obstruktion zu titrieren. Die Miktion erfolgt spontan, eine manuelle Betätigung ist nicht notwendig.
Die adjustierbare Argus - SchlingeDie Argusschlinge besteht aus einem weichen Silikonpolster, der an 2 Silikonbändern fixiert ist. Die Silikonbänder können entweder retropubisch oder transobturatorisch plaziert werden und werden in der Folge mit Silikonscheiben („Washers“) in Position gehalten (Abb. 1a,b). Die Schlinge kommt unter der bulbären Harnröhre zu liegen.
Implantationstechnik:In Steinschnittlage wird nach Setzen eines transurethralen Katheters eine 5-8 cm Längsincision perineal vorgenommen. Das Subcutangewebe wird gespalten, der Musculus bulbo-spongiosus wird dargestellt. Lateral des Musculus bulbo-cavernosus werden bds. die Crura aufgesucht. Auf diese Weise wird ein Dreieck zwischen Bulbo-spongiosus und Crura dargestellt. In der Folge wird eine quere Incision suprasymphysär durchgeführt und das subcutane Fett bis auf die Rektusfaszie gespalten. Nun kann die Implantationsnadel von perineal in das freipräparierte Dreieck plaziert werden, wobei die Harnröhre mit dem Zeigefinger der assistierenden Hand geschützt wird. Die Nadel wird etwa 1 cm durch den Beckenboden gestochen und anschließend analog der klassischen TVT-Operation 1-2cm nach latero-ventral und schließlich retropubisch in Richtung der suprasymphären Incision geführt. Dabei soll Kontakt mit der Dorsalfläche der Symphyse gehalten werden. Die Schlinge wird nun mit der Nadel konnektiert und nach cranial durchgezogen. Analoges Vorgehen auf der kontralateralen Seite. Es werden nun suprasymphysär die „Washers“ plaziert, wobei primär die Schlinge noch keinen Kontakt zur Harnröhre haben sollte. Das Fehlen einer eventuellen Perforation wird durch Cystoskopie gesichert. Nun erfolgt die Bestimmung des retrograden Leak Point Pressure (rLPP). Dazu wird ein starrer Cystoskopschaft in die penile Harnröhre eingeführt und der rLPP durch Höhenveränderung der Spülflüssigkeitsflasche bestimmt. Ein Masband wird an einem Infusionsständer montiert, sodaß die Symphyse als 0-Punkt fungiert. Nach dieser Methode wird am relaxierten Patient vorerst zur Systemüberprüfung der intravesikale Druck bestimmt (Schaftspitze im Blasenlumen, üblicherweise 5-15 cmH20), dann der rLPP ohne Schlinge (Schaftspitze in der bulbären Harnröhre, beim inkontinenten Patienten 15-30 cmH20) und schließlich der rLPP nach Plazierung der Schlinge (Ziel: 5-10 cmH2O über dem Ausgangswert, max. 45 cmH20). Anstelle des Zystoskopschaftes kann auch ein Ballonkatheter verwendet werden. Um das vorgegebene Ziel zu erreichen, können die Washers mehr oder weniger straff eingestellt werden. Bei diesem Vorgehen ist es nach endgültiger Plazierung der Schlinge problemlos möglich, einen Finger zwischen Schlinge und Harnröhre einzuführen (Abb. 2). Die überstehenden Kolumnenanteilen werden suprasymphysär jeweils medial übereinandergelegt um ein Auffinden für eine event. später nowendige Adjustierung zu erleichtern. In völlig analoger Weise kann auch transobturatorisch vorgegangen werden, wobei hier das System für eine „außen-innen“ Platzierung ausgelegt ist. Das transobturatorische Vorgehen bewährt sich besonders bei adipösen Patienten (2,4,5,6). Am Ende des Eingriffs werden die Incisionen mit verdünnter Gentamicinlösung gespült und die Wunden schichtweise verschlossen, an unserer Abteilung belassen wir einen Katheter für 2 Tage.
Abb. 1a __ Argus Schlinge | Abb. 1b __ Argus Schlinge mit "Washers" |
![]() | ![]() |
Abb. 2 __ lockere Schlingenplatzierung
Die adjustierbare Remeex - SchlingeDas Remeexsystem (Abb. 3) ist der Argusschlinge prinzipiell ähnlich. Statt eines Silikonpolsters wird ein suburethral zu plazierendes Netz über Prolenefäden mit dem sogenannten „Varitensor“ verbunden. Der Varitensor wird suprapubisch plaziert, der Zug am Netz kann durch einen Drehmechanismus im Varitensor adjustiert werden. Die Implantation erfolgt analog zur Argusschlinge durch retropubisches Hochbringen der Prolenefäden mit Hilfe einer speziellen Implantationsnadel. Die Möglichkeit einer transobturatorischen Plazierung besteht hier nicht. Die Remeexschlinge wird typischerweise am ersten postoperativen Tag am stehenden Patienten adjustiert, bis Kontinenz erreicht wird. Eventuell notwendige Nachadjustierungen können jederzeit postoperativ vorgenommen werden.
Abb. 3 __ Remeex Schlinge mit Varitensor
ErgebnisseDie Ergebnisse von Argus und Remeex sind heute bereits als verläßlich und gleichwertig einzustufen. Die ersten Publikationen größerer Serien datieren aus 2004 (3) bzw. 2006 (2). Heute können die adjustierbaren Schlingen als etablierte Systeme mit realistischen Erfolgsraten von bis zu 90% bei Beobachtungszeiten von bis über 2 Jahre eingestuft werden (2,3,4,5,6,7). Eventuelle intraoperative Blasenperforationen erfordern die Reinsertion der Implantationsnadel, bleiben aber sonst ohne Spätfolgen. Insgesamt muß mit Explantationsraten von 8-12 % (Infektionen, Materialprobleme) gerechnet werden. Nachadjustierungen werden in rund einem Drittel aller Fälle notwendig. Adjustierbare Schlingen können bei Inkontinenzen aller Schweregrade und auch bei bestrahlten Patienten eingesetzt werden, die präoperative Abklärung umfaßt neben der allgemeinen urologischen Abklärung die Urethrocystoskopie sowie fakultativ eine Urodynamik.
ProACT™-Ballons
Seit 2001 (CE Zeichen) ist für die Behandlung der männlichen Inkontinenz das ProACT™ System im Handel. Bei der ProACT™ Methode werden 2 Silikonballons, die über einen Silikonschlauch mit einem Punktionsventil verbunden sind über einen perinealen Schnitt oberhalb des Beckenbodens an den Blasenhals implantiert. (Abb. 4). Die Punktionsventile werden subcutan im Skrotum plaziert, sodaß durch einfache transcutane Punktion mittels Subcutannadel das Volumen der implantierten Ballons jederzeit adjustiert werden kann. Nach durchschnittlich 3 Adjustierungen kommt es schließlich zu entsprechender Erhöhung des Widerstands in der proximalen Harnröhre., Eine erste Serie von 117 Patienten 2005 publiziert (8). Trotz Einbeziehung bestrahlter Patienten und Patienten mit schwerer Inkontinenz betrug die Erfolgsrate 77%. Die ProACT™ Methode besticht durch minimale Invasivität des Eingriffs sowie der Adjustierungsmaßnahmen. Diese Erfahrungen wurden inzwischen durch Zahlreiche Publikationen bestätigt (9,10,11). In jüngerer Zeit wurde die Methode um die Möglichkeit der TRUS – gesteuerten Implantation erweitert (12). Limitierende Faktoren für die ProACT™ Methode sind erfolgte Strahlentherapie sowie Narbenbildungen in der Blasenhalsregion nach mehrfachen Anastomosenincisionen. Der Vorteil der Methode besteht in der absolut minimalen Invasivität der Implantation.
Abb. 4 __ ProACT™ Ballons
ATOMS
Seit jüngster Zeit ist ein weiteres adjustierbares Schlingensystem, das „ATOMS“-Verfahren verfügbar. Das flüssigkeitsgefüllte Implantat wird über einen perinealen Zugang transobturatorisch implantiert. Das Prinzip ähnelt den erwähnten adjustierbaren suburethralen Schlingen, die Adjustierung erfolgt perkutan über ein Punktionsventil, welches subcutan im Unterbauch plaziert wird. Nach ersten technischen Modifikationen erscheint das Verfahren vielversprechend, Publikationen in der Fachliteratur stehen derzeit noch aus.
Flowsecure
Das Flowsecuresystem entspricht grundsätzlich dem hydraulischen Sphinkter (siehe dort). Allerdings verfügt der Flowsecuresphinkter über einen zusätzlichen „Stressballon“ , der intraabdominell plaziert wird und direkt mit der Harnröhren - Manschette verbunden ist. Er überträgt im Sinne einer passiven Drucktransmission intraabdominelle Drucksteigerungen direkt auf die Harnröhren - Manschette. Außerdem kann das Systemvolumen durch perkutane Punktion der Pumpe variiert (adjustiert) werden. Trotz langer Enwicklungszeit existieren zu diesem System derzeit noch keine relevanten Publikationen über größere Serien.
Fazit für die PraxisDas Prinzip der Adjustierbarkeit mit der Möglichkeit auf sich verändernde Ansprüche und patientenspezifische Notwendigkeiten noch Jahre nach der Implantation eines Systems reagieren zu können erscheint überzeigend. Vor allem die genannten Implantate ProACT, Argus und Remeex haben sich auch schon über mehrere Jahre als verlässlich erwiesen und können heute empfohlen werden. Die Entwicklung auf diesem Gebiet ist zwar keinesfalls abgeschlossen, wir haben jedoch schon heute die Möglichkeit, nahezu allen betroffenen Patienten eine individuell passende, erfolgversprechende Therapie anzubieten. Die Invasivität der genannten Eingriffe ist insgesamt gering.
Zusammenfassung Die Ergebnisse von Argus und Remeex sind heute bereits als verläßlich und gleichwertig einzustufen. Publikationen größerer Serien datieren bereits aus 2004 bzw. 2006. Bei Beobachtungszeiten von teilweiseüber zwei Jahren können die adjustierbaren Schlingen heute als etablierte Systeme mit realistischen Erfolgsraten von bis zu 90% eingestuft werden. Nachadjustierungen werden in rund einem Drittel aller Fälle notwendig. Die Pro-ACT-Ballons bestechen durch minimale Invasivität des Eingriffs sowie der Adjustierungsmaßnahmen. Eine erste Serie von 117 Patienten 2005 zeigte bereits eine Erfolgsrate von 77%, diese Erfahrungen wurden inzwischen durch Zahlreiche Publikationen bestätigt. Limitierende Faktoren für die Pro-ACT-Methode sind erfolgte Strahlentherapie sowie Narbenbildungen in der Blasenhalsregion.
Das Prinzip der Adjustierbarkeit mit der Mögichkeit auf sich verändernde patientenspezifische Notwendigkeiten noch Jahre nach der Implantation eines Systems reagieren zu können erscheint überzeigend. Die Erfahrung hat gezeigt, daß sich sowohl urodynamische Parameter wie auch persönliche Ansprüche eines Patienten sich im weiteren Verlauf seines Lebens ändern können. Patienten können beispielsweise durch die Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten höhere Ansprüche entwickeln. Diese können durch entsprechende Adjustierung des Systems befriedigt werden.
Schlüsselwörter
Männliche Inkontinenz, adjustierbare Schlinge, Pro Act, Argus Remeex
| zurück nach oben |
>>>>>>> moderne Therapie | ProACT | adjustierbare Schlingensysteme | schwierige Fälle